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Verbraucherschelte von oben

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Ein Gastbeitrag von Marianne Reiß,” Starker Partner” von jetzt ess ich!

Im Sonntagsinterview der BZ am Sonntag zum Erntedankfest hat Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner den Verbrauchern den Spiegel vorgehalten. Jährlich wandern Lebensmittel im Wert von 310 Euro in die häusliche Durchschnittsmülltonne. Dies, obwohl die Deutschen gern am Essen sparen und im Europavergleich mit 10 Prozent ihres Einkommens am wenigsten für ihr Essen ausgeben. Aigner ruft die Verbraucher zum Umdenken und zu vermehrter Wertschätzung des Essens auf. Als Strategien schlägt sie vor, überlegter einzukaufen, Reste zu verwerten und einen laxeren Umgang mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum zu pflegen.

Sie hat recht. Niemanden, der den Film „Taste the Waste“ bereits gesehen oder die Diskussionen darum mitbekommen hat, kann dieses Thema kalt lassen. Dass da viel verschwendet wird, das ahnten wir. Aber wohl kaum jemandem war bis zu diesem Film das ungeheuerliche Ausmaß der Lebensmittelentsorgung bewusst. Dieser Wahnsinn muss in unserem eigenen Interesse gestoppt werden. Die Vorschläge von Frau Aigner sind ein guter Ansatz, das eigene Konsumverhalten zu überprüfen und zu ändern.

Um so mehr erstaunt es, dass die Verbraucherministerin sich mit der Spitze des Eisberges zufrieden gibt. Kein Wort von den Gepflogenheiten in Produktion und Handel. Tonnen von Lebensmitteln werden bereits bei der Ernte vernichtet, weil sie den Handelsnormen nicht entsprechen. Kartoffeln, die zu groß oder zu klein sind, um das Handelklassencasting zu bestehen, bleiben auf dem Feld oder wandern in die Biogasanlage. Für jeden Fisch, der auf unserem Teller landet, wird ein zweiter als Beifang tot zurück ins Meer geworfen. Der Produktion von Fertigspeisen wie Sandwiches zum Beispiel fallen Unmengen von ungenutzten Brotendstücken zum Opfer. Discounter sortieren täglich alles Nichtverkaufte häufig noch vor dem Ablauf des Haltbarkeitsdatums für die Müllpresse heraus, um am nächsten Verkaufstag die Regale wieder mit neuer Ware zu bestücken. Um nicht Kunden an die Konkurrenz zu verlieren werden auch denjenigen, die kurz vor Geschäftsschluss einkaufen, volle Regale präsentiert. Das, was davon frisch ist, wird direkt nach Ladenschluss in die Müllcontainer geleert.

Es gibt aufseiten der Verbraucher tatsächlich sehr viele Möglichkeiten, den Müllberg zu reduzieren. Auch haben wir als Kunden eine Macht, die wir bisher noch gar nicht genutzt haben. Wir werden das hier im Blog immer wieder unter anderen Aspekten ansprechen. Wir erwarten allerdings von unseren Volksvertretern, dass sie den Finger besonders auch da in die Wunde legen, wo es richtig weh tut. Die Politik muss bei ihren eigenen Verordnungen tätig werden und auch auf den Ebenen, auf die Verbraucher ohne Lobby keinen Einfluss haben. Ohne die Lockerung der Handelsklassen werden weiterhin die krummen Gurken und herzförmigen Kartoffeln nicht in den Handel kommen. Handelsklassen bedeuten nicht innere, sondern dekorative Qualität. Was kümmert es unsere Mägen, ob eine Kartoffel vor dem Essen wie die andere aussah und die Gurke in unserem Salat im Verein mit den anderen Gurken im Laden wie geklont wirkte?

Es gibt viel zu tun. Packen wir es an. Bei uns gibt’s heute arme Ritter ;-)


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